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Adieu, Warentrenner: Immer mehr Supermärkte testen den Verzicht auf Kassen mit Förderbändern und Bedienung

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Charlottenburger* Barzahler:innen, die ihr eure Einkäufe im Supermarkt gerne ordentlich zwischen Warentrenner auf schwarze Kassenbänder verräumt – sorry fürs Duzen, aber: Ihr müsst jetzt ganz. Stark. Sein. Denn es sieht fast so aus, als kämt ihr ein kleines bisschen aus der Mode.

Nicht im Inland, Gott bewahre! Da bauen euch Handelsketten sicher weiter demütigst die nagelneuen Expresskassen wieder ab, wenn es ausreichend Protest dagegen gibt, dass man an Ort und Stelle nur noch fast so wie vor dreißig Jahren bezahlen kann.

Andernorts allerdings geschieht gar Unglaubliches, und es geschieht – immer öfter: Supermärkte und sogar Discounter wagen es, die Selbstverständlichkeit des bedienten Kassierens in Frage zu stellen!


Die gute Nachricht ist: Das wird schätzungsweise nicht so schnell dazu führen, dass wir unser Gemüse, die Cornflakes und die Milch bald ausschließlich durch Handauflegen bezahlen, wie Amazon es vorhat; oder mit dem eigenen Fingerabdruck, wie es Carrefour in Belgien ausprobiert (nachdem Real damit schon vor Jahren in seinem „Future Store“ viel zu früh dran war). Allerdings mehren sich die Zeichen dafür, dass es den Bedienkassen mit ihren Transportbändern so langsam an den Kragen geht.

Mehr Platz für Selberscanner

Vor zwei Monaten stand an dieser Stelle bereits, wie Lidl die nach Großbritannien mitexportierte Standardkassenzone grundlegend umkrempelt – indem der Discounter dem Bezahlen an Self-Checkout-Kassen mehr, sehr viel mehr Platz als bisher einräumt. In einer Filiale im Londoner Süden setzt Lidl seit vergangenem Jahr fast ausschließlich auf SB-Kassen; von ehemals fünf klassischen Bedienkassen ist nur noch eine übrig geblieben.

Der niederländische Wettbewerber Albert Heijn, der sich ohnehin durch eine gewisse Experimentierlust mit neuen Bezahllösungen wie in seinem vollautomatisierten „Nano Store“ auszeichnet (siehe Supermarktblog), macht es in seiner neusten Innenstadtfiliale genau so.

Der Mitte Dezember in einem ehemaligen Bankgebäude am Amsterdamer Rembrandtplein eröffnete Markt hat zwar das allerneuste Ladenkonzept der Handelskette verpasst bekommen – das ist aber (leider) nicht weiter der Rede wert.

(Insbesondere im Vergleich zum schicken Industriedesign der Biomarktkette Marqt, die die Fläche bislang belegte [so bzw. so sahen die Bedientheken dort mal aus], aber im vergangenen Jahr an einen Wettbewerber verkauft wurde und Filialen abgeben muss; mehr dazu demnächst mal.)

Das allerletzte Kassenband

Einzige Ausnahme ist die Kassenzone. Achtzehn Self-Checkout-Kassen stehen auf der neu bezogenen 1.200-Quadratmeter-Fläche im Untergeschoss bereit, um den schnellen Stadteinkauf zu zahlen (Titelfoto). Das ist sonst eher auf deutlich größeren Flächen Standard – und nur deshalb möglich, weil daneben bloß noch eine einzige Bedienkasse als Alternative verfügbar ist, an der sich die allerwenigsten Selbstscan-erprobten Amsterdamer anstellen, wenn sie schnell aus dem Markt kommen wollen.

An den Self-Checkouts kann ausschließlich bargeldlos bezahlt werden (sogar mit Kreditkarte – was in den übrigen Albert-Heijn-Filialen bislang ganz und gar nicht Standard ist).

Auf einen gut sichtbaren Diebstahlschutz verzichtet der Händler bislang. Damit sich die Schleusentür am Ende der Kassenzone öffnet, muss man dort als Kund:in (wie kürzlich schon erwähnt) aber einen ausgedruckten Mini-Barcode oder – je nach Bezahlmethode – einen QR-Code auf seinem Smartphone scannen.

Die SB-Kassen am Rembrandtplein sind angenehmerweise nicht mit Quengelware zugestopft, die vom Bezahlvorgang ablenken könnte.

(Anderswo gibt es denselben SB-Kassentypen aber auch mit Quengelwarenaufsatz.)

Und nicht nur in Europa testen große Lebensmitteleinzelhändler, ob sich Kund:innen im Markt noch stärker in die Selbstscan-Pflicht nehmen lassen. Im amerikanischen Miami hat Walmart gerade einen „Neighborhood Market“ eröffnet, der sogar komplett auf Kassen mit Band verzichtet (aber nicht auf die Kassenbedienung, falls gewünscht).

Parkbuchten für Einkaufswagen-SUV

Das funktioniert so: Am Marktausgang lassen sich Einkäufe ausschließlich an Self-Checkouts bezahlen. Wer nicht so viel zu scannen hat, geht dafür an die Kompaktkassen (unter deren Ablage jeweils ein Mini Fridge mit Kaltgetränken für Spontankäufe eingebaut ist). Kund:innen mit größeren Einkäufen steuern die XXL-Varianten auf der gegenüberliegenden Seite an, die aussehen wie Parkbuchten für Einkaufswagen-SUV, riesige Quengelwarenfront inklusive. Um Diebstahl vorzubeugen, sind über den Scannern angelartige Kameras angebracht.

Gleichzeitig verspricht Walmart, Kund:innen beim Scannen nicht alleine zu lassen. So genannte „Self-Checkout Hosts“ assistieren auf Wunsch mit Handscannern in den „larger basket self-checkout lanes“. Wer wirklich nur ein paar Artikel mitnehmen will, kann sich außerdem schon im Laden an Mitarbeiter:innen wenden, bei denen an Ort und Stelle gleich bezahlt wird, wie es Walmart mit seinem „Check out with me“-Programm seit einiger Zeit auch anderswo erprobt.

Die Handelskette erklärt, „dieselbe Zahl an Angstellten“ wie in anderen Neighborhood Markets zu beschäftigen (etwa 100), nur halt, ohne dass die hinter klassischen Bedienkassen sitzen.

Als Grund für die Umstellung nennt Walmart, dass es für viele Kund:innen inzwischen genauso wichtig sei, Zeit zu sparen wie Geld zu sparen. Wobei insbesondere die XXL-SB-Kassen eher als Beschäftigungstherapie für Vieleinkäufer funktionieren dürften, damit die nicht gelangweilt Schlange stehen müssen.

Rauskatapultiert über die „Fast Lane“

Platzprobleme lassen sich jedenfalls kaum anführen: Auf den Quadratmetern zwischen Kompakt- und XXL-Kassen, die der Fotograf des „Miami Herald“ eindrucksvoll im Bild festgehalten hat, könnten europäische Konkurrenten noch flugs ein bis zwei automatisierte Convenience-Stores unterbringen.

In Kanada lässt das umsatzstärkste Unternehmen der Welt seine Kund:innen während des Einkaufs auch (bzw. noch) selbst per App scannen und schickt sie nach erfolgter Zahlung mit dem vom Smartphone generierten QR-Code auf eine „Fast Lane“, über die man sich selbst aus dem Markt hinauskatapultieren kann. Was ungefähr so aussieht, als hätte sich Walmart eine riesige Bezahl-Waschstraße ins „Super Center“ gebaut:


Foto: Walmart Canada

Das dürfte im europäischen Raum so schnell immerhin nicht zum Standard werden; aber je nachdem wie die SB-fokussierten Kassenzonen angenommen werden, könnte sich in den kommenden Jahren in manchen Läden tatsächlich ein neuer Bezahl-Standard etablieren.

Falls es so kommt – und wirklich nur zur Vorsicht, damit nachfolgende Generationen wissen, wie das damals aussah, als wir (in Deutschland) beim Einkaufen Produkte auf Kassenbänder räumten, um sie dann mit Plastikklöppeln für die Kassierassistenz voneinander abzugrenzen, sei dieses Foto publiziert:

Und jetzt: auf Nimmerwiedersehen, alberner, mit Werbung verseuchter, schmuddeliger Wa-ren-tren-ner!

Mehr zum Thema Self-Checkout steht im Blog-Dossier Bezahlen.


*Nicht missverstehen, natürlich gibt es auch zahlreiche der modernen Kassentechnik zugewandte Charlottenburger:innen. Im Rewe-Mitarbeitermagazin „One“ erzählte ein Rewe-Vertriebsleiter vor anderthalb Jahren bloß, wie man einen übernommenen Kaiser’s-Markt in Berlin-Charlottenburg wegen des niedrigen Durchschnittsbons bei der Modernisierung komplett auf Expresskassen umgestellt, damit massive Beschwerden ausgelöst und deshalb schleunigst wieder „normale Kassen“ eingebaut habe. (Selbst schuld: Inzwischen beschweren sich die Kund:innen in Google-Kommentaren, dass es in der Kassenzone zu eng ist.) [nach oben]

Fotos: Supermarktblog

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